Zeitsprung

Rechts die wohl frechste Schülerin der Klasse: Fu Mi Fa
Der alltägliche Grundschulwahnsinn

Nur so lässt sich erklären, dass jetzt schon November ist. Tatsächlich geht schon mein zweiter Monat in China zuende, obwohl ich gefühlt noch nicht so lange hier bin. Das hat wohl hauptsächlich damit zu tun, dass ich mich gut eingelebt habe und keine Langeweile mit Tagträumen von der Heimat aufkommt.

 

Mit dem zweiten Monat geht nicht nur meine letzte deutsche Zahnpasta zuende, sondern auch meine zweite Woche in der Lai Mao Wan Xiao. Die Grundschule liegt zu Fuß etwa 5 Minuten von der Lai Mao Zhong Xue entfernt.

Ich hatte schon seit seit längerem den Plan hier eine Grundschule zu besuchen, um Chinesisch zu lernen. Scarlett, unsere Ansprechpartnerin, hat mich über die Frau eines Kollegen dann an eine Lehrerin in der Grundschule vermitteln können, die ein wenig Englisch spricht.

 

Wie in alten Zeiten - die doch noch gar nicht so lange her sind - stehe ich jetzt wiederin aller Herrgottsfrühe auf und mache mich als Schüler auf den Weg zum Unterricht. Auf dem Weg kaufe ich mir in der Mensa meist noch ein paar gebratene Kartoffelecken oder Baozi (包子)zum Frühstück.

Der Unterricht in der Schule beginnt um 8:10 entweder mit Mathe oder Chinesisch. Mathe war erst einmal ganz interessant, jetzt wo ich weiß, was "plus, minus und gleich" heißt fordert mich das Rechnen im Zahlenraum bis 10 allerdings nicht mehr so sehr.

 

Viel spannender ist Chinesisch. Zuerst haben wir Betonungen von Pinyin geübt (so heißt die Umschrift von Zeichen in lateinischen Buchstaben).

Ein Schriftzeichen ist dabei immer eine Silbe. Weil aber auf etwa 450 Silben tausende Zeichen kommen werden erstere auf 4 verschiedene Arten betont, um verschiedene Bedeutungen anzunehmen. Das wohl bekannteste Beispiel ist: 妈妈骂麻马吗? (Māma mà má mǎ ma?). Übersetzt etwa: Schimpft die Mutter das Hanfpferd? Die Akzente zeigen die Töne an, wobei das Fehlen für einen unbetonten Vokal steht (manchmal 5ter Ton genannt).

 

Das ist genauso kompliziert wie es klingt! Die chinesischen Kinder müssen sich damit ziemlich abrackern und werden von der Lehrerin streng korrigiert. Im Chor werden dann einzelne Worte/Silben in Anlaut und Auslaut zerlegt geübt: z.B. fo...ang...foang...FANG!

(im chinesischen ist f nicht ef, sondern eben fo).

Bei diesen Übungen erreichen die Kleinen übrigens regelmäßig den Lärmpegel eines startenden Jumbojets. Das hat mich zwar zuerst von meinem Miniaturhocker gehauen (Sitzhöhe etwa 30cm), ist im Endeffekt aber eigentlich ziemlich praktisch. Auf diese Weise kann ich super mitsprechen und üben ohne mich zu blamieren!

 

Darüber hinaus habe ich letzten Montag einen bedeutenden Moment miterleben dürfen! Die Kinder haben gelernt die ersten Schriftzeichen zu schreiben. Momentan sind wir allerdings noch nicht weiter als bis zu den Zahlen eins bis drei gekommen (一, 二 und 三).

Ich freue mich schon darauf weiter hautnah mitzuerleben wie ein Chinese seine eigene Sprache zu sprechen und schreiben lernt. Wenn das nicht Eintauchen in eine fremde Kultur ist, dann weiß ich auch nicht.

 

Die Grundschüler sind ihrerseits natürlich auch brennend an mir interessiert. In den ersten Tagen haben sie noch schüchtern Abstand gehalten und nur mit ausgestrecktem Finger "外国人,外国人!!" (Ausländer, Ausländer!!) gerufen.

Ihre Lehrerin hat mich als  " 大哥" (großer Bruder) vorgestellt und ein waghalsiger Schüler hat sich getraut mich nach meinem Namen zu fragen: Luo Bin ( 罗斌).

Dann haben sie langsam bemerkt, dass ich auch nur ein normaler Mensch bin und angefangen mich zuzuquasseln. Seitdem drängen sie sich in den Pausen immer um mich und wollen mir stolz ihren Namen aufschreiben oder mit mir spielen. Total begeistert hat sie vor allem das Händeklatsch-Spiel ("Bei Müllers hat's gebrannt..."). Etwas in der Art kannten sie überhaupt nicht!

 

Abgesehen von anderen Spielen unterscheiden sich auch die restlichen Fächer der Grundschüler von dem mir bekanntem. Ein Fach (地方) könnte man wohl mit Heimatkunde übersetzen; 品德与生活 bereitet mir dagegen etwas Schwierigkeiten. In etwa bedeutet es wahrscheinlich "moralischer Lebenscharakter". Themen bisher waren z.B., dass man zu Bett gehen muss, wenn die Eltern einem das sagen ,und dass man mit seinen Mitschülern freundlich umgehen soll. Dafür gibt es sogar ein eigenes Schulbuch mit Kapiteln inklusive Übungen zu den einzelnen Themen.

 

Nach den ersten vier Stunden Unterricht morgens kehre ich dann doch erstaunlich geschafft zum Mittagessen an die Lai Mao Zhong Xue zurück.

 

Ein perfekter Start in den Tag! So hat Langeweile keine Chance!

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Kommentare zum Blog

...sind ausdrücklich erwünscht! Man könnte ja fast meinen niemand liest meine Blogeinträge :P

Nach 7 Monaten zeigt meine Armanduhr endlich die chinesische Zeit an. Ich bin irgendwie nie dazu gekommen sie umzustellen. Als sie jetzt leer war, hat der Uhrmacher mir beim Wechseln der Batterien die richtige Zeit eingestellt ;)

 

Uuuund, sie ist hin. Das Armband ist ausgerissen und so kann ich sie leider nicht mehr tragen. Schade, es hängen schöne Erinnerungen aus Kanada an ihr.

es schaut ja doch ab und zu jemand vorbei; wenn auch keiner Kommentare schreibt ;)