Stufen, Nebel, Affen und Touristen

Team Spaß!

Die 4 elementaren Bestandteile unserer Reise zum EMeiShan (峨眉山: EMei Berg).

Die Entscheidung mit Fabian, Regina und Julius diesen Berg in Sichuan (nahe Chengdu) zu erklimmen fällte ich relativ spontan. Alleine zu reisen ist zeitweise ganz nett, aber kommt doch nicht an eine gute Gruppe heran; besonders nicht an unser "Team Spaß!".

 

Und die Reise beginnt! Lasst die imaginären Anschnallgurte klicken; der Eintrag könnte länger werden.

 

Genau wie unsere Reise: um, überhaupt erst zu dem Berg zu kommen braucht man von Liuku aus länger als einen Tag: 13 Stunden im Bus nach Kunming und von dort noch einmal an die 16 im Zug bis nach EMei. Busse jeglicher Art (Sitzbusse, Schlafbusse, Minibusse...) bin ich inzwischen gewöhnt, aber das war meine erste Zugfahrt in China. Wir hatten "hardsleeper"-Betten gebucht. Ich weiß nicht wie weich "softsleeper" sein muss, aber ich habe wie auf Wolken geschlafen. Wer natürlich zu Hause eine echte Matratze hat könnte da anders empfinden.

 

Tag 1

 

Vom Bahnhof zum Hostel, um festzustellen, dass man dort nicht wie angekündigt Fahrkarten buchen kann, wieder zurück zum Bahnof; dort gab es noch Karten. Ein Glück, denn wir wollten nach den Frühlingsferien am gleichen Tag wie halb China wieder zurückreisen. Der nette Schalterbeamte schien trotzdem ob unserer seltsamen Reisepässe verwirrt. Auf jedes Zugticket muss die Reisepassnummer des Inhabers gedruckt sein, um es eindeutig zuordnen zu können, normalerweise jedenfalls. An dem Tag hat der Beamte einfach den Pass an einer beliebigen Stelle aufgeschlagen und die erstbeste offiziell aussehende Nummber in den PC getippt. Bei mir war es die Nummer meines abgelaufenen ersten China Visums und bei Fabian die seines Neuseelandvisums aus der Schulzeit.

 

Die Spinnen die Chinesen!

Wahrscheinlich trifft das nicht auf alle zu, aber sicher auf einen Großteil der Touristen. Mit ihnen mussten wir uns den Berg zeitweise teilen. Am dessen Fuß auf 550 Metern stand der erste der vielen buddhistischen Tempel an dem wir vorbei kommen sollten, davor riesige Parkplätze und lärmende Menschenmassen. Der E Mei Shan ist einer der vier heiligen buddhistischen Berge Chinas und daher auch aufgrund der vielen Tempel und Klöster entlang des Aufstiegs beliebtes Touristenziel. Das erste Stück des Aufstiegs hinter dem Tempel führte noch an einer asphaltierten Straße entlang auf der viel Betrieb herrschte. Riesige Reisebusse, viele Fußgänger und Händler an jeder Ecke. Ihre Haupteinnahme machten sie mit Bambusstöcken und Steigeisen. Angeblich sollten die Stöcke als Schutz vor den Affen dienen, die auf dem Berg wild leben.

Ich habe allerdings kein einziges Mal die Notwendigkeit gesehen mich gewaltsam gegen die friedlichen Affen zu verteidigen. Das Bedürnis einigen chinesischen Wanderern eins über die Rübe zu ziehen hatte ich dagegen öfter.

Unsere Route in rot markiert
Unsere Route in rot markiert

Sobald die Straße endete und der wirkliche Aufstieg begann dünnten der Strom an Touristen merklich aus. Zunächst musste man an einem Kassenhäuschen mit Drehkreuz ein Ticket kaufen. Julius qualifizierte sich mit seinem deutschen Schülerausweis für einen deutlichen Rabatt, wir anderen auch; nur das wir nicht unsere alten Schülerausweise abgaben. Ein Personalausweis geht zum Beispiel in den allermeisten Fällen auch als solcher durch. Ich hatte keins von beiden und wollte schon den vollen Preis bezahlen, als mir mein Organspenderausweis einfiel. Da war er doch tatsächlich noch zu meinen Lebzeiten mal zu etwas zu gebrauchen!

Nachdem Drehkreuz folgte bald die erste Stufe, der Auftakt zum Aufstieg auf 3077 Meter bestehend komplett aus Treppen.

 

Da wir den größten Teil unseres Gepäcks in unserer Unterkunft, dem Teddy Bear Hostel, gelassen hatten ging es zügig voran, selbst mit Wanderrucksäcken. Die Treppen waren angenehm zu steigen, was in China absolut keine selbstverständlichkeit ist, und führten ausnahmslos durch schöne Wälder. Bei erster Gelegenheit schnitt ich mir am Wegrand einen Bambusstab (ich hatte mir als einziger zuvor keinen gekauft; warum 2Kuai bezahlen für etwas das es auch gratis gibt).

 

Weil wir bedingt durch die Umwege beim Fahrkartenkauf erst nach dem Mittagessen aufgebrochen sind, kamen uns schon bald mehr Touristen entgegen als uns folgten. Es wurde Nachmittag und früher Abend. Als wir in das erste ausgeschilderte Affengebiet kamen waren die meisten Verkaufsbuden (mitten im Wald) schon zu und wir fast allein. Affen haben wir nicht gesehen, wahrscheinlich weil die schon lange gelernt haben, in welchen Zeiträumen Touristen sie mit Futter überhäufen und wann nicht. Trotzdem war der Abend eine spezielle Erfahrung für sich. Mit der Dämmerung setzte der Nebel ein, der uns bis zum Gipfel nicht mehr freigeben sollte. Im weiß-grauen Zwielicht sah der Wald weniger greifbar, irgendwie übernatürlich und geheimnisvoll aus.

 

So stiegen wir die letzten Meter grade beim endgültigen Eingruch der Dunkelheit bis zur "Magic Peak Monastery". Auf der letzen Treppe lieferten Fabian und ich uns ein Wettrennen. Im Kloster bekamen wir sofort ein Zimmer und sind anschließend die Treppen wieder hundert Meter herabgestiegen. Dort hatte das "Hard Wok Cafe" noch geöffnet und servierte uns die beste Mahlzeit der gesamten Reise: Dishes mit Reis; simpel und doch genial! Zum Nachtisch einen doppelten Schokoladen & Bananenpfannkuchen. Derart gestärkt sind wir früh ins Bett gegangen, am nächsten Tag standen schließlich noch über 1500 Höhenmeter aus.

 

Tag 2

 

Er begann genau wie der letzte geendet hatte: neblig grau. Nach einem sehr einfachen Frühstück bestehend nur aus "Mantou (gedämpfter Teigballen) ohne alles" machten wir uns an den Gewaltaufstieg. Obwohl wir schon seit letztem Nachmittag in Affengebiet unterwegs waren, hatten wir noch keinen einzigen zu Gesicht bekommen. Das änderte sich erst bei der Toilettenpause am ersten Kloster des Tages. Um das Toilettenhaus saßen, liefen und sprangen einige unserer nahen Verwandten munter umher und ließen sich von uns kaum stören. Vielmehr waren sie sogar plötzlich sehr an uns interessiert als ich aus meinem Necessaire eine Plastiktüte holte. Darin befand sich zwar nichts als Desinfektionsgel, aber die cleveren Tiere haben schon lange gelernt, dass in den Plastiktüten der bunten Riesen Futter ist. Julius und Fabian haben die Gelegenheit für einige wirklich gute Fotos genutzt... Bis eine chinesische Wandergruppe aufs Klo musste.

Dass, die Kinder den ganzen Weg über lärmten und beim Anblick der Affen noch einmal lauter wurden kann man verstehen. Wirklich zum fremdschämen peinlich war dagegen der Umgang der Erwachsenen Chinesen mit den Affen. Sie haben laut "Hello!" nach ihnen gerufen, sich einfach den jungen Äffchen genähert und generell einen solchen Lärm veranstaltet, dass in kürzester Zeit alle Affen weg waren. Darüber waren sie dann tatsächlich noch ehrlich erstaunt und enttäuscht.

 

Wir haben die Affen schließlich hinter uns gelassen und uns weiter dem Gipfel entgegengekämpft. Es wurde zunehmend kälter und immer nebliger. Als wir zu Mittag aßen schauderte es mir bei dem Gedanken, wie die Besitzer des kleinen Restaurants knapp über dem "Elephant Bathing Pool" im ewigen Nebel leben. Die Sonne scheint nicht und alles wird feucht; die Hütten verziehen sich. Der besagte Tempel war krumm und schief. Ein niedriger Gang, so lang dass das Ende im Dunst verschwand mit unregelmäßigen verschobenen Streben ausschließlich in strahlendem rot und weiß erweckte den Eindruch durch eine Traumwelt zu wandeln.

 

Sehr viel realer war unsere nächste Begegnung mit einigen Affen wieder einen Tempel höher. Während ich meine Kreation "Mantou mit Kinderschokolade" genoss nahm Julius einen Schluck aus seiner Colaflasche. Blitzschnell kam ein Affe angelaufen, saß praktisch auf Julius' Schoß und zog vehement an der inzwischen wieder verschlossenen Flasche in seiner Hand. Ziemlich perplex hat Julius dem Affen die Beute überlassen, der sie direkt zu unseren Füßen kurz aufgebissen, ausgeschüttet und getrunken hat.

Wirklich beeindruckt hat uns aber der nächste Affe, der noch den letzen Rest aus der Flasche bekam indem er sie wie ein Mensch austrank. Der Anblick hat uns für die Unkosten des Verlusts mühelos entschädigen können (die Preise steigen auf dem Berg schneller als man hinterherhecheln kann).

 

Gegen 16 Uhr waren wir schließlich auf etwas über 2400 Metern bei der Busstation. Vom Fuß des Berges kann man sich bis hierher fahren lassen, um sich nicht unnötig anzustrengen. Den Rest des Aufstieges muss man dann jedoch immer noch mühsam in der Gondel stehen. Da ist es verständlich, dass der Trägerservice vom Busbahnhof zur Gondelstation sehr gefragt ist. Entspannt kann man sich von zwei kräftigen Herren auf einem Sitz zwischen zwei Bambusrohren die lästigen Treppen hinauftragen lassen. Um perfekt für die Extremsituation auf dem "Golden Summit" gewappnet zu sein fehlen neben der Hightech Funktionskleidung nur noch die Spikes unter den Schuhen, die schnell nach dem Ausstieg aus der Gondel angeschnallt werden. In aller Ruhe und bei vollen Kräften kann man dann über die völlig eisfreien letzen Stufen zum Gipfel klackern.

 

Moment, wo war ich gerade? Ach ja; Ironie... Diesem Typ Tourist wollten wir uns auf keinen Fall anschließen. Unser Ziel war es den "Golden Summit" komplett zu Fuß zu erwandern. Da wir nur drei Tage Zeit hatten, suchten wir uns bei der Busstation nur kurz ein Hotel wo wir unsere Rucksäcke deponierten und machten uns auf, das letzte Stück des Weges abzureißen. Zum Sonnenuntergang wollten wir oben sein. So ganz ohne Gewicht auf den Schultern kommt man tatsächlich deutlich bequemer voran, was allerdings wieder durch die komplett verschneiten und vereisten Treppen Treppen ausgeglichen wurde. Ich Spezialist hatte im Gegensatz zu den anderen meine normalen Straßenschuhe an, die etwa das Profil eines Blatts Papier haben. Die Spikes, die ich zuvor für 10Yuan gekauft hatte halfen mir zumindest ein wenig, der Tragekomfort ließ aber dermaßen zu wünschen übrig, dass ich sie schnell wieder auszog. Wirklich nützlich hingegen war mein Bambusstab.

Im Vergleich zu den Chinesen, die uns (weil schon wieder später Nachmittag war) entgegenkamen, war ich damit hervorragend dabei. Das Highlight waren einige Damen in High heels, die sich krampfhaft am Geländer klammernd Stufe für Stufe hinabtasteten. Übertroffen wurden sie nur von einem Mädchen, das barfuß in dicken Hauspantoffeln unterwegs war.

 

Kurz vor dem Gipfel klingelte mein deutsches Handy: "Guten Tag Herr Fischer, hier ist der Kundenservice von *****. Zuerst wollte ich mich einmal dafür bedanken, dass Sie schon so lange treuer Kunde sind. Dafür haben wir Ihnen ein Geschenkpaket geschnürt. Für nur xCent telefonieren Sie in alle deutschen Netze."

"Ich befinde mich gerade auf dem EMeiShan in China und bin das nächste halbe Jahr nicht in Deutschland."

"Achso, na dann macht das Ganze ja gar keinen Sinn für Sie."

 

Ach nein? Schade!

Gipfelfoto auf 3077m

Schließlich endlich oben angekommen eröffnete sich uns leider kein majestätischer Anblick der untergehenden Sonne. Vielmehr liefen wir durch ein weißes Wolkenmeer, dass langsam aber sicher erst grau und dann schwarz wurde. Trotzdem verzehrten wir unsere Gipfelration, stolz auf unsere Leistung. Fabian hatte extra eine Kuhfleckenschokolade aufgehoben und Julius eine edle französische Salami.

 

Danach wollten wir alle nach dem anstrengenden Tag nur noch ins Bett, mussten aber vorher noch die 600 Meter bis zum Hotel wieder absteigen; in stockfinsterer Nacht. Ich hatte zwei kleine Taschenlampen dabei. Mit vier Leuten damit vereiste Treppen herabsteigen ist ein echtes Abenteuer. Jetzt hatten wir ungefähr das Tempo der Chinesen drauf, über die wir vorher immer gewitzelt hatten. Geschlagene zwei Stunden waren wir unterwegs. Damit uns die Zeit nicht lang wurde, hat Regina ein Tierratespiel vorgeschlagen: Jeder muss reihum ein Tier auf den festgelegten Anfangsbuchstaben sagen. Wer nichts findet ist raus.

Das "S" hat uns über eine Stunde lang begleitet! Vielen Dank an Schaf, Schwein, Schlange, Schuhschnabel, Seiltrichterspinne, Spottdrossel und Co.

Gebetszettel werden über den Wolken in den Wind gestreut
Gebetszettel werden über den Wolken in den Wind gestreut

Tag 3


Den sagenhaften Ausblick vom "Golden Summit" über die Wolkendecke wollten wir uns nicht entgehen lassen und fuhren daher am nächsten Morgen noch einmal mit der Gondel hoch. Die Menschenmassen sind unvorstellbar. In riesigen Schlangen schiebt man sich zentimeterweise voran und sobald die Türen aufgehen stürmen alle los, um in der Kabine ja den besten Platz zu bekommen. Eifrig werden Smartphones gezückt und die gesamte Fahrt zum Gipfel als Video festgehalten oder wahllos Fotos aus den Panoramafenstern geschossen. Die sehen ohnehin alle gleich aus: weiß!; die Scheiben waren nämlich beschlagen.

 

Trotz der vielen Touristen lohnte sich unser zweiter Besuch. An diesem Tag zogen immer wieder Wolken vorbei, die die Sicht wie am Vortag auf unter 20 Meter verringerten, aber die Decke riss ab und zu auf und es boten sich fantastische Ausblicke.

Und wie so oft musste man sich eigentlich nur hundert Meter von den Hauptattraktionen entfernen, um wunderschöne ruhige Plätzchen zu finden.

 

Nachdem wir uns sattgesehen hatten begann für uns der entspanntere Teil des Tages: Mit der Gondel wieder runter, dann mit einem Bus zum Fuß des Berges, zurück zum Hostel und nach einer heißen Dusche ab ins Bett.

Der zweite Tag mit über 14 Stunden auf und in den Beinen hatte uns ziemlich mitgenommen!

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Kommentare zum Blog

...sind ausdrücklich erwünscht! Man könnte ja fast meinen niemand liest meine Blogeinträge :P

Nach 7 Monaten zeigt meine Armanduhr endlich die chinesische Zeit an. Ich bin irgendwie nie dazu gekommen sie umzustellen. Als sie jetzt leer war, hat der Uhrmacher mir beim Wechseln der Batterien die richtige Zeit eingestellt ;)

 

Uuuund, sie ist hin. Das Armband ist ausgerissen und so kann ich sie leider nicht mehr tragen. Schade, es hängen schöne Erinnerungen aus Kanada an ihr.

es schaut ja doch ab und zu jemand vorbei; wenn auch keiner Kommentare schreibt ;)