Ein Sack Flöhe (und Läuse)!

die zukünftigen Drittklässler
die zukünftigen Drittklässler

Die Summerschool

 

war eine Wahnsinnserfahrung; ziemlich anstrengend aber auch einfach schön.

 

->Was ist das Slumkidsprojekt?

Ziel des Slumkidsprojekts (ausführlicher Beitrag: Bildung ist DER Ausweg) ist, Kindern aus den Slums LiuKus den Grundschulbesuch zu ermöglichen. Der Weg dorthin ist nicht leicht, weil schon die wichtigsten Grundvoraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Die Kinder können kein Chinesisch, sondern nur ihre Minderheitensprache Lisu.

Dazu kommt, dass die meisten illegal in LiuKu leben. Ihre Eltern sind hierher gezogen ohne dies bei der Regierung zu beantragen und haben sowieso weit mehr Kinder als nach der Ein-Kind-Politik zulässig.

Die Schulgebühren sind die nächste große Hürde. Mit ihren kleinen Einkommen können die Familien sich zwar meist leidlich über Wasser halten und vielleicht auch einem oder zwei Kindern die Grundschule finanzieren, dafür müssen sie den Gürtel dann aber schon sehr eng schnallen. Wenn sie, was nicht ungewöhnlich ist 4, 5 oder sogar 6 Kinder haben, ist es schlicht unmöglich sie in die Schule zu schicken. Das wird doppelt teuer, weil die Kinder dann natürlich auch nicht mehr durch Müllsammeln zum Familienverdienst beitragen können.

 

Indem wir die Schulgebühren übernehmen, durch Patenschaften finanziert, entlasten wir die Familie und geben den Kleinen einen Ausweg aus der Armut: Bildung!

Schon allein, dass sie nach der Grundschule perfekt Chinesisch sprechen kann für ihre Zukunft wegweisend sein. Damit stehen ihnen deutlich mehr Möglichkeiten offen hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Im besten Fall machen sie aber mit der Schule weiter und erreichen einen Abschluss. Das ist bisher freilich Zukunftsmusik. Unsere größten Schützlinge gehen nach den Sommerferien gerade einmal in die dritte Klasse (von 6 Grundschuljahren in China).

 

->Was ist die Summerschool?

Das Jahr über sind wir regelmäßig in den Slums gewesen und haben Kontakt zu den dort lebenden schon eingeschulten Kindern und ihren Familien gehalten. Um einen besseren Überblick über die Bewohner zu haben, haben wir sie gebeten pro Familie einen Fragebogen auszufüllen. Darauf war etwa die Frage nach den Berufen und Einkünften der Eltern, Chinesischkenntnissen, dem ursprünglichen Wohnort vor LiuKu und der Anzahl der Kinder (Name, Alter, Geschlecht, usw.).

So konnten wir abschätzen wie viele Kinder dieses Jahr das richtige Alter für die Einschulung hätten.

 

Damit diese funktioniert müssen die Kinder aber erst einmal auf die Schule vorbereitet werden. Noch sprechen sie kein Chinesisch und sind zum Beispiel langes Stillsitzen nicht gewohnt. In der Summerschool wollen wir ihnen die absolut notwendigen Grundkenntnisse vermitteln, damit sie einen erfolgreichen Start hinlegen können.

Daneben werden regelmäßig Zähne geputzt und Hände sowie Haare gewaschen, um diese Gewohnheiten soweit zu verankern, dass die Kleinen sie in der Schule selbstständig weiterführen. Zumindest mit dem Haarewaschen hatten wir dabei großen Erfolg. Das lieben alle Kinder; manche so sehr, dass sie sich jede Pause den Kopf unter dem Wasserhahn gewaschen haben, wenn kein Shampoo da war, dann eben mit der Handseife.

 

->Für das Großprojekt Summerschool gab es einiges zu organisieren.

1. Die Kinder

Jeder Freiwillige hat morgens die Kinder aus (s)einem Slum an einem Treffpunkt eingesammelt und mitgebracht. Ich habe mich mit meinen 4 zum Beispiel immer an der nächsten Bushaltestelle getroffen, sie in den Bus komplimentiert und für uns alle bezahlt.

 

2. Die Räumlichkeiten

Die Grundschule in XiaoShaBa ist eine der beiden, auf die unsere Slumkids gehen. Der Schulleiter dort kooperiert mit uns und hat uns während der Ferien seine Schule überlassen. Wir hatten den Schlüssel zum Schultor und zu 4 Klassenräumen, sodass wir die Kinder nach Klassenstufen getrennt unterrichten konnten.

 

3. Die Lehrer

Alle Freiwilligen haben befreundete Chinesen, oft ehemalige Schüler, gefragt, ob sie Interesse hätten in der Summerschool zu unterrichten. Einige haben uns begeistert geholfen und jeden Tag mehrere Stunden unterrichtet: Mathe, Chinesisch, Kunst/Musik und Sport

Die Zukünftigen Drittklässler hatten zudem jeden Tag eine Stunde Englischunterricht, den wir Freiwilligen selber gegeben haben.

Vormittags gab es 4 Stunden Unterricht, dann eine Mittagspause mit Schlafenszeit nach dem Essen, und anschließend nachmittags noch einmal 3 Stunden Unterricht.

Weil die Summerschool 4 Wochen lief sind die meisten chinesischen Lehrer nicht die ganze Zeit geblieben. Daher mussten wir ständig danach schauen, dass genügend Lehrer für den Unterricht anwesend waren. Besonders in der letzten Woche, als alles dem Ende entgegenging hatten wir ein paar Engpässe, mussten improvisieren und selber auch Stunden übernehmen.

 

4. Essen

Morgens hat ein Freiwilliger BaoZi für alle Kinder gekauft, die dann in einem extra Essensraum verteilt wurden. Dass wir drinnen gegessen haben hatte den riesigen Vorteil, dass wir die Kinder gut kontrollieren konnten. Sobald genung fertig waren durften die ersten mit einem FW zu einem der Wasserhähne und Zähneputzen.

Mittags haben wir in einem nahen Restaurant gegessen, dass uns vertretbare Preise für täglich 3 verschiedene Gerichte und Reis soviel wir essen konnten angeboten hat.

Das schwierige hierbei war die Kinder ordentlich zum Restaurant und wieder zurück zu bekommen. Das Gehen in einer Zweierreihe hat meist ganz gut funktioniert, uns aber auch viele Nerven gekostet.

("Du kommst jetzt sofort hierher!" "Nein, du bist nicht erster, du stellst dich hinten an!" "Wenn du nicht mit im gehen willst, dann such dir jemand anderen." "Hör auf die Mädchen vor dir zu hauen!" usw...)

Während der Summerschool haben wir an einer großen Zettelwand im Lehrerzimmer Bemerkungen zu den Schülern notiert. So hatten wir am Ende einen guten Überblick darüber, wer reif ist für die Einschulung und wer lieber noch ein Jahr spielen sollte.

 

->Wie funktioniert die Einschulung?

Jetzt ist die Summerschool vorbei und die Schüler haben bis zum 01.09. frei. Dann muss man sich in der Schule in die Listen für das nächste Jahr eintragen und die Schulgebühren bezahlen.

Nach der HuKou oder anderen Dokumenten wird zum Glück nicht gefragt. Bei der Aufnahme der Slumkids in seine Schule bewegt sich der Schulleiter in einer Grauzone. Wir wissen nicht genau, ob es letztendlich legal ist Kinder ohne HuKou einzuschulen oder nicht. Aus diesem Grund sind wir vorsichtig wenn wir Chinesen von dem Projekt erzählen und sagen nur, dass wir die Kinder auf die Schule vorbereiten und ihnen die Schulgebühren zahlen (dass sie illegal hier leben lassen wir lieber weg).

Das war es dann eigentlich auch schon. Ein paar Tage später beginnt der reguläre Unterricht.

 


->Eine Schwierigkeit gibt es dieses Jahr.

Wir haben entschieden wen wir einschulen wollen und mit den Eltern der Kinder darüber geredet. Das hat sich dieses Jahr als etwas schwierig herausgestellt, denn unsere Ansicht, dass die Kinder zunächst am besten ein Jahr in die Vorschule gehen sollten teilten viele Eltern nicht.

 

Letztes Jahr sind schon einige Kinder in die Vorschule in LaoLiuKu gegangen und kommen jetzt in XiaoShaBa in die erste Klasse. Im Vergleich zu den anderen Kindern, die in der Vergangenheit ohne Vorschule direkt mit der ersten Klasse begonnen haben, werden sie es viel einfacher haben. Sie können nach der Vorschule ziemlich gut Chinesisch, sogar schon viele Zeichen. Die anderen Kinder hatten dagegen in den ersten Monaten Schwierigkeiten zu verstehen was der Lehrer überhaupt von ihnen wollte.

Leider gibt es die Vorschule nur in LaoLiuKu (der anderen kooperierenden Schule), die etwas weiter weg ist. Dort müssten die Kinder auf dem Schulgelände wohnen und könnten nicht zu Hause übernachten. Wohl aus diesem Grund waren die meisten Eltern dagegen, denn das bedeutet auch, dass sie sich abends nicht um ihre kleinen Geschwister kümmern können; eine wichtige Aufgabe.

 

Wir haben den Eltern bis Ende des Monats Bedenkzeit gegeben, ob ihre Kinder wirklich nicht in die Vorschule gehen sollen. Wenn sie das dann immer noch nicht wollen, werden wir die Kinder in XiaoShaBa für die erste Klasse eintragen, aber den Eltern sagen, dass wir für das erste Jahr nur die Hälfte der Schulgebühren übernehmen werden anstatt alles wie in LaoLiuKu.

Das war ein schwieriger Kompromiss um den wir lange diskutiert haben. Einerseits wollen wir die bestmöglichen Bildungschancen für die Kinder und die bekommen sie in der Vorschule. Wenn ihre Eltern allerdings vehement dagegen sind ihre Kinder dort wohnen zu lassen, weil es zu weit weg ist, dann könnte das den Erfolg des Jahres gefährden; etwa wenn die Eltern ihre Kinder ab und zu zum Helfen zu Hause behalten.

Die Kinder einfach in XiaoShaBa einzuschulen, dem Elternwunsch gemäß, erschien uns auch nicht gut, weil sich dann diejenigen Eltern, die sich schweren Herzens entschlossen hatten ihre Kinder doch in die Vorschule zu schicken, betrogen fühlen würden. Dass die Eltern voll hinter dem Schulbesuch ihrer Kinder stehen, ist aber essentieller Bestandteil des Projekts. Wir wollen schließlich sichergehen, dass das Geld gut angelegt ist und wir den Paten nicht berichten müssen, dass sein Kind die Schule abgebrochen habe.

 


Genug Text; Fotos!

Darauf sind die kleinen total niedlich, was vor allem daran liegt, dass sie sich nicht bewegen können. In Fleisch und Blut haben sie uns des öfteren zur Verzweiflung gebracht. Und trotzdem kann man sie einfach nicht nicht mögen.

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Kommentare: 0

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Kommentare zum Blog

...sind ausdrücklich erwünscht! Man könnte ja fast meinen niemand liest meine Blogeinträge :P

Nach 7 Monaten zeigt meine Armanduhr endlich die chinesische Zeit an. Ich bin irgendwie nie dazu gekommen sie umzustellen. Als sie jetzt leer war, hat der Uhrmacher mir beim Wechseln der Batterien die richtige Zeit eingestellt ;)

 

Uuuund, sie ist hin. Das Armband ist ausgerissen und so kann ich sie leider nicht mehr tragen. Schade, es hängen schöne Erinnerungen aus Kanada an ihr.

es schaut ja doch ab und zu jemand vorbei; wenn auch keiner Kommentare schreibt ;)